Das Entdecken von Begabungspotenzialen der Lernenden gilt als pädagogische Kernkompetenz von Lehrpersonen und der Schule. Dazu benötigen Lehrpersonen und die Fachpersonen der Begabungsförderung in den Schulen entsprechende Verfahren zur Beobachtung und Identifikation; diese müssen im Gesamtkonzept einer Schule zur Begabtenförderung (vom Unterricht bis zur Fördermaßnahme) eingebettet sein.
In vielen Klassen finden sich Kinder mit unentdeckten Begabungspotenzialen. Manchmal bleiben sie unerkannt. Nicht selten werden sie überstrahlt durch Verhaltensauffälligkeiten oder Schwierigkeiten der (An-)Passung an Lernsituationen, die den Blick auf individuelle Fähigkeiten verstellen. «Twice Exceptional» (Beeinträchtigung bei gleichzeitig überdurchschnittlichen Fähigkeiten) ist nicht selten. Groß ist die Not von Lernenden, Eltern, und Lehrpersonen, wenn besondere Fähigkeiten nicht in entsprechende Leistungen und Anerkennung umgesetzt werden können.
Im Vortrag und in der anschliessenden Diskussion lernen Sie konkrete Methoden und anerkannte Instrumente der pädagogischen Begabungsidentifikation kennen. Dabei ist eine «Pädagogische Diagnostik» dadurch geprägt, dass sie sich nicht auf eine punktuelle Statusdiagnostik beschränkt (Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt im Sozialvergleich zu einer Normgruppe). Zwar werden Potenziale anhand praxisbewährter und wissenschaftlich reflektierter Kriterien und Indikatoren festgestellt; die Begabungsprofile der Schülerinnen und Schüler dienen aber gleichzeitig als Ausgangslage für eine darauf basierende Förderstrategie und potenzialbezogene weiterführende Lernprozesse (Förderdiagnostik). Dabei ist der angemessene Einbezug aller Beteiligten (Lernende, Eltern, Lehr- und Fachpersonen) ebenso mit zu denken wie der Stellenwert von Lernberatung, der Expertise von Lehr-/Fachpersonen, von Entwicklungs- und Talentportfolios zu individuellen Leistungen sowie Lernjournalen zur Begabungsentwicklung.
«Pädagogische Förderdiagnostik» zeichnet sich durch ihre Mehrperspektivigkeit aus: Sie umfasst gezeigte Leistungen, die Suche nach Potenzialen, ebenso wie das Erkunden von Leistungseinstellungen, Interessen und individuellen Fördervoraussetzungen, denn Hochleistung ist stets individuell und «einzig»-artig. Pädagogische Förderdiagnostik begleitet Maßnahmen der Begabtenförderung im dynamischen Wechsel von Entdecken, Fördern, Evaluieren und weiterführenden Zielvereinbarungen. Als Instrumente dazu lernen Sie die «Scales for Rating the Behavioral Characteristics of Superior Students» (auf Deutsch) und die «Dimensionen der Begabungsentwicklung DBe18» kennen.
Kurzvita Prof. Victor Müller-Oppliger